Konzertrezension 20.9.2019, Porgy&Bess Vienna von Hannes Schweiger
AUFGEWECKTE ERBEGESTALTUNG
Knurrend, knatternd versetzte der Protagonist mit einem variierenden, prägnanten Riff das Baritonsaxophon in Schwingung. Auffallende Behändigkeit war im Spiel als die Luftsäule dem Instrument entstieg. Rhythmusversessenheit ist dabei unüberhörbar. Ein fähiger Melodie-Connaisseur ist er obendrein. Er, das ist Multiholzbläser Christian Gonsior. Seit drei Jahrzehnten Fixgröße des österreichischen Jazzsprengels, der jedoch grund seiner zurückhaltenden, bescheidenen Art viel zu unbeachtet geblieben ist.
Ein unermüdlich, ernsthaft Forschender, der sich speziell in den Fortgang der erweiterten Jazzprinzipien der 1960er Jahre und deren Postentwicklungen der 1970er Jahre vertieft. Da wiederum damalige Tendenzen einer noch umfassenderen Auseinandersetzung mit Rhythmen Afrikas bzw. des Einbezugs des Funk-Idioms aufgreifend. Nicht nur ist Gonsior dadurch zu einer aufregend rhythmisierten Phrasierungsweise gelangt, adäquat zum dezidierten Eigenton, sondern kreativisierte vor allem mit diesem Trio, der afrikanische Name des Programmes bedeutet soviel wie „sich erheben“, eine persönliche, inspirierte Umsetzung. Zweifellos aktuell positioniert. Für die rhythmisch strukturierte Grundidee der Musik gingen die Musiker auf Suche nach ausgefallenen, afrikanischen Rhythmen. Beispielsweise stießen sie auf einen Bikuzi genannten Rhythmus aus Kamerun usw. Um dieses rhythmische Grundgerüst drapieren sich groovende thematische Figuren, Eigenentwürfe oder entliehene wie z.B. Ed Blackwells „Togo“, Billy Bangs „Rainbow Gladiator“, Clifford Jordans „John Coltrane“, die der Saxophonist mit gefinkeltem Sinn für Off-Beats mit den rhythmischen Geweben von Bass und Schlagzeug vernetzt. Polyrhythmische, -metrische Kunststücke folgten. Da packte gelöst fließende Kontrapunktik zu. Im Brennpunkt stand dabei Clemens Adlassnigg der mit kontrollierter Energetik die Musik nach vorne wuchtete. Perfekt in der Time fächerte er die Grundrhythmen mit eigenen übereinandergeschichteten Drumpatterns auf, überraschte unentwegt mit findigen asymmetrischen Akzentuierungen, differenzierte sein Spiel mit besonderer dynamischer wie klanglicher Sensibilität. Und er vergaß nie zu tänzeln. Tony Williams, dem sich Adlassnigg verbunden fühlen dürfte, sagte einmal: „Eine der Hauptaufgaben des Drummers ist es, jeden anderen gut klingen zu lassen.“ Genau das tat Adlassnigg mit seinem kohäsiven Drumming. Bei seinen Soli, im Zuge derer er ebenso wenig wie Gonsior die Chorusanzahlen überspannte, galt dies analog. Singbare Linien, einem warmen Ton anvertraut, in entschlackterer Dichte, des präzise agierenden E-Bassisten, potenzierten die Plastizität des Kollektivkonstruktes. Improvisatorisch hat klarerweise Gonsior viel Platz. Er nütze den Verzicht eines Harmonieinstrumentes zu uneingeschränkterer harmonischer Flexibilität.
Markant auf dem Tenor. Lineare Verlaufstränge, tonal verwurzelt mit überlegten klanglichen Ausfransungen, in eben der individuellen Melodierhythmik, der Bindung an Tonarten entsagend, verkündete er in den spontanen Assoziationen seine tiefe Verbundenheit mit und Respekt zum afroamerikanischen Jazzstamm. Das Trio als homogene Einheit. Begleitet von extrovertierter Lustbarkeit und Good Vibrations. Improvisierte Musik ist das Resultat angestrengter Arbeit und wie auch immer Auseinandersetzung mit der Umwelt. Heute umso erforderlicher, zwecks Gegenpols zu immer ausgehöhlterer Empathie, übermächtiger Fremdbestimmtheit, einem dreist überwachten Konsumdiktat. „Whoza, Whoza“. © HANNES SCHWEIGER
Trato Común Leopoldo F. Fleming, Christian Gonsior Februar 2013 | Alessa Records | Jazz
CD-Rezension im Concerto Magazin 2/2013
CD- Rezension im Falter 8/2013 /Stadtzeitung Wien
Der unweit des Jazzepizentrums Saalfelden aufgewachsene Saxofonist Christian Gonsior hat gemeinsam mit dem Perkussionisten Leopoldo F. Fleming ein Album eingespielt, das seine Energien vor allem aus afro-kubanischen Rhythmen speist, Hardbop und Latin Jazz verbindet und sich vom epischen Pathos eines John Coltrane ebenso hat inspirieren lassen wie von der Spiellaune eines Sonny Rollins. Wobei Fleming (der so wie sein Partner vier der neun Stücke beigetragen hat) auch vor sehnsuchtssüßem Sentiment keine Scheu hat, wenn er klösterlicher Liebe („Love in the Cloisters“) nachsinnt. Klaus Nüchtern
CD-Rezension im freiStil #48 April/Mai 2013
Dem Duo Fleming & Gonsior ist mit Trato Común ein sehr feines, groovendes Stück Jazz mit einer Prise Latin geglückt. Die beiden werden dabei kongenial von tollen Musikern unterstützt, die das Projekt durch ihre Präsenz und Wachheit aufwerten. Deshalb hört man neun gut abgehangene Kompositionen (bis auf das Stück Esperame En El Cielo von Paquito Lopez vidal) aus den Federn der beiden Leader, die ihre Stärken in einer melodischen, homogenen Elastizität haben. Jedes für sich erzählt eine Geschichte, ist es wert, gehört zu werden. Die aus Martinique stammende Dinah Vero drückt mit ihrem perlenden, bluesgetränkten Klavierspiel vielen Songs zusätzlich ihren Stempel auf. Fein. Gonsior selbst ist ein jubilierender Holzbläser, versiert und immer am Puls des Geschehens. Leopoldo Fleming ist ein mit allen Wassern gewaschener, vielseitiger Musiker, der ein ganzes Paket von Stars und „Big Names“ mit seinen Trommelkünsten unterstützt hat (Nina Simone, Archie Shepp, Diane Reeves, Randy Weston, Lonnie Liston Smith – um nur ein paar zu nennen), der einer Komposition durch seine unerbittliche aber feine Perkussionsarbeit zu Struktur und Eleganz verhelfen kann. Ein Tonträger, der einen Füße wippend und Finger schnippend in gute Stimmung versetzt. Den ausdrucksstarken Sänger José Mangual Jr. muss man auch noch gesondert erwähnen. Reife Leistung – Trato Común! (ernst mitter)